Tarragona!
Sonne, Strand und Mittelmeer!
Was will man mehr?
Von unserem Zimmer im kleinen, aber feinen Hotel Sant Jordi am Stadtrand konnten wir auf das Meer schauen, der Strand war nur drei Gehminuten entfernt und als wir ankamen strahlte die Sonne mit mir um die Wette. Uns begrüßte ein älterer Herr (ich schätzte ihn auf über 70), der uns doch tatsächlich unsere Koffer ins Zimmer tragen wollte! Vermutlich arbeitet er schon seit Anbeginn der Zeit in diesem Hotel und gehört damit sozusagen schon zum Inventar. In jeder erdenklichen Sprache spricht er bestimmt ein paar nette Worte, die er von Touristen aufgeschnappt hat. Auf Deutsch waren das "Alles gut!" und "Kein Problem!"
 |
| Blick von unserem Hotelbalkon auf das Mittelmeer |
Natürlich ging's erst einmal ans Meer. Am Strand machten wir uns auf in Richtung Innenstadt. Sandstrand zum Baden gibt es übrigens nur an kleinen Abschnitten, dazwischen ragen Felsklippen ins Meer, die von Muschelfossilien und Steinen durchsetzt sind, wie im Foto zu sehen ist.
 |
| Sandstrand und Felsklippen am Mittelmeer bei Tarragona |
|
 |
| Nahaufnahme von den Felsklippen |
|
Leider verläuft in Tarragona zwischen Stadt und Strand eine Eisenbahnlinie. Damit führt sie auch direkt hinter unserem Hotel vorbei, aber das haben wir eigentlich nicht so richtig mitbekommen. Problematisch war's nur, als wir dann nach dem Strandspaziergang in die Stadt wollten, um etwas zu essen. Ewig gab es keine Unter- oder Überführung und wir mussten immer weiter und weiter am Strand langlaufen, bis wir es vor lauter Hunger nicht mehr aushielten und in einer Strandimbissbude gegessen haben. Ich war mir nicht sicher, ob die grüne Tomate auf meinem Burger so musste oder einfach noch nicht reif war. Aber sonst war es OK und wir konnten uns gut gesättigt wieder auf den Rückweg zum Hotel machen.
Der nächste Tag dann. Was kann man in Tarragona unternehmen? - Sich altes Römerzeug anschauen! Das ist in Massen vorhanden! Und für mich, die ich aus einer Region komme, in die die Römer nie gekommen sind, und die in der Schule Latein belegt hat, super cool und spannend! Also kaufen wir uns ein Kombiticket, das verschiedene Sehenswürdigkeiten vereint und bekommen von der netten Dame auch gleich noch eine Vorschrift, wie wir diese am besten ablaufen, damit wir alles schaffen, besonders die Sehenswürdigkeiten, die um zwei zur Siesta schließen.
Daher schauen wir uns zunächst das Modell der Stadt Tarragona an, wie sie zu Römerzeiten ausgesehen hat. Für damalige Verhältnisse war Tàrraco, wie die Stadt zu der Zeit hieß, eine Metropole, weil sie ein wichtiger Mittelmeerhafen für die Römer war. Hier können wir auch schon ein wenig römische Architektur entdecken:
 |
| Placa del Pallol |
Danach besuchen wir das Casa Castellarnau. Ausnahmsweise kein Römerbau, sondern das prunkvolle Wohnhaus einer einflussreichen katalanischen Familie, das nun ein Museum ist und dessen pompöse Innenausstattung man bestaunen kann. Später kommen wir noch zu einem zweiten solchen Haus, dem Casa Canals, in dem ebenso eine bedeutende und vor allem reiche Familie gewohnt hat.
 |
| Im Casa Castellarnau |
|
 |
| Im Casa Canals |
|
Doch hauptsächlich interessieren uns ja die Überbleibsel der Römer und nächste Station unseres Rundweges ist daher der Passeig Arqueològic. Ein Weg, der an alten römischen Stadtmauern aus dem 2. und 3. Jahrhundert vorbeiführt, aber auch an mittelalterlichen und neueren Stadtbefestigungsanlagen aus dem 14. bis 18. Jahrhundert. Das ist für mich alles nicht so leicht auseinander zu halten, aber zum Glück zeigt uns ein animiertes Video, wie die Anlagen nach und nach gebaut, erweitert, zerstört, neu aufgebaut und noch mehr erweitert wurden. Ein Archäologe in Tarragona zu sein, ist bestimmt ein super Job!
 |
| Stadtmauern aus der Zeit der Römer |
Immer weiter entlang der Stadtmauer kommen wir dann zum Portal de Sant Antoni, durch das wir endlich wieder in die Innenstadt gelangen. Aber von dort hat man auch einen super Blick auf das Meer und auf all die ankernden Schiffe, die auch heute noch Tarragonas Hafen als wichtigen Mittelmeerhafen kennzeichnen.
 |
| Blick auf das Mittelmeer und die Schiffe, die vor dem Hafen ankern |
Wir machen erst einmal einen Abstecher zur Kathedrale von Tarragona. Sie sieht von außen schon so beeindruckend aus, dass wir beschließen, sie uns trotz des recht hohen Eintritts auch von innen anzusehen. In unserem Kombiticket ist sie leider nicht enthalten, aber der Preis lohnt sich auf jeden Fall!
Die Kathedrale ist so beeindruckend riesig von innen, dass einem der Atem stockt bei solch einer architektonischen Bauleistung. Die Decke ist schier endlos hoch. In den Seitenschiffen sind unendlich viele kleinere Kapellen untergebracht. Etwas, dass ich aus evangelischen Kirchen nicht kenne. Jede kleine Kapelle hat ihre eigene Ausstattung, einen kleinen Altar, mal sehr schlicht, mal sehr überladen, immer mit einem Ständer, auf dem Besucher Kerzen anzünden können, und einer kleinen Spendenkiste. Vermutlich können Katholiken, je nachdem, wofür sie gerade beten, einem anderen Heiligen ein Lichtlein anzünden :-) Auch die Orgel ist überdimensional groß, der Hauptaltar sowieso. Er ist der Heiligen Thekla gewidmet. (Noch nie von ihr gehört...) Angeschlossen an die Kathedrale gibt es natürlich auch wieder ein Kloster. Und wo ein Kloster ist, da ist auch wieder ein Kreuzgang! :-) Die berühmten Kapitelle, die zeigen, wie eine Prozession Mäuse eine Katze beerdigt, haben wir leider nicht gesehen, weil wir erst später davon gelesen haben. Die Broschüre zur Kathedrale haben wir nur auf Englisch bekommen und da waren wir zu faul, das vor Ort genauer durchzulesen... Schade! Hier ein paar Eindrücke aus der Kirche:
 |
| Hauptportal |
|
 |
| Mittelschiff |
|
 |
| Hauptaltar |
|
 |
| Orgel |
|
 |
| Schlichtere Kapelle |
|
 |
| Pompöse Kapelle |
|
 |
| Kapelle für die Suffköppe |
|
 |
| Innenhof des Kreuzgangs I |
|
 |
| Innenhof des Kreuzgangs II |
|
Nach einer kurzen Pause geht es dann weiter durch die Stadt auf den Spuren der Römer. Wir besteigen den Pretori romá, einen Turm, von dem aus man eine wunderbare Sicht auf das Meer und die umliegenden Gebäude hat.
 |
| Die Kathedrale |
 |
| Die Ruinen des römischen Circus |
 |
| Das Amphitheater |
Vom Circus ist tatsächlich nur noch das übrig geblieben, was oben auf dem Foto zu sehen ist, d.h. ein winziger Teil der Südost-Kurve inklusive ein paar Sitzreihen und des großen Versorgungsganges. Eine Abbildung auf dem Aussichtsturm verdeutlicht uns, wie viele hundert Meter weiter das eigentliche Ende der Rennbahn war. Jetzt steht dort alles voller Wohnhäuser, aber die enormen Ausdehnungen des Circus' sind doch zu erahnen. Die Ruinen selbst sind aus der Nähe betrachtet nicht so sehr spannend, bis auf die Tatsache, dass diese Steine vor gut zweitausend Jahren aufeinandergestapelt wurden und jetzt immer noch so zusammenhalten. Der Versorgungsgang ist schon ziemlich riesig, aber gut, da müssen ja auch Pferderennwagen durchgepasst haben, nicht? Ansonsten gibt es dort nur sehr wenige erklärende Texttafeln, so dass der "Wow, echt?"-Effekt leider ausbleibt.
 |
| In den Circus-Ruinen |
Nächstes Ziel ist dann endlich das Amphitheater. Darauf habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut. Ich meine, HEY, ein Amphitheater! Und das noch direkt am Meer! Also, naja, bis auf die paar Eisenbahnschienen, die da noch dazwischen liegen... Und ich musste nicht bis nach Griechenland fahren, um eines zu sehen! Gut, so ein bisschen hab ich mich schon gewundert. Was machen denn diese Ruinen da mitten im Amphitheater? Kulisse? Aber hier gab's zum Glück anders als im Circus die Erklärung (auch wenn ich an dem kleinen Ausstellungsraum fast vorbeigelaufen wäre):
Die Römer mochten ja die Christen anfangs nicht so leiden. Deshalb haben sie ein paar von ihnen verbrannt, natürlich am damaligen
place to be, also im Amphitheater. Später, als die Christen dann das Sagen hatten und die Amphitheater-Kultur am Abflauen war, haben sie den verbrannten Märtyrer-Christen zu Ehren dann mitten in das Amphitheater eine kleine Kapelle gebaut. Gierig wie die Christen waren, war ihnen das natürlich irgendwann nicht mehr genug und aus der kleinen Kapelle wurde eine große Kirche.
Was dann kam und danach und danach und danach hab ich mir nicht alles gemerkt, aber es wurde angebaut, ausgebaut, oben drüber gebaut, vielleicht zwischendurch auch mal abgerissen und neu gebaut, aber in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts dann stand an Ort und Stelle eine Kaserne oder ein Gefängnis und vom einstigen Amphitheater war keine Spur mehr zu sehen. Ziemlich unglaublich, nicht? Wo man sich doch heute wieder auf die tausend Jahre alten Ränge setzen kann! Wie gesagt, Archäologe sein in Tarragona muss wirklich spannend sein, wenn man sich so nach und nach durch die Geschichte nach unten gräbt. Und wer entscheidet überhaupt, was stehen bleibt und was mit abgetragen wird? Ich meine, vielleicht war ja noch viel mehr von der alten Kirche übrig, aber sie haben nur die Grundmauern stehen lassen, damit man mehr vom Amphitheater sieht?
 |
| Eine Ruine in der Ruine - Kapelle und Amphitheater |
Am "Balkon des Mittelmeers" vorbei laufen wir dann die Rambla Nova hinauf. In jeder katalanischen Stadt gibt es eine Straße mit diesem Namen und dabei handelt es sich immer um die Touristen-Meile. D.h. wir laufen so schnell wie möglich in eine Querstraße, um den Menschenmengen zu entkommen. Da die Hauptsaison ja noch nicht angefangen hat, ist es gar nicht so voll, aber Gewohnheit bleibt Gewohnheit :-)
Ein ziemlich weites Stück müssen wir latschen, um zur letzten römischen Sehenswürdigkeit in der Innenstadt zu gelangen - dem Fòrum Local romà, also dem Marktplatz. Hätten wir vorher gewusst, dass das einzig sehenswerte drei Steinsäulen sind, hätten wir uns den Weg gespart. Da diese Sehenswürdigkeit etwas ab vom Schuss ist, ist sie auch gar nicht weiter hergerichtet. Keine Texttafeln, keine Abbildungen, wie es mal ausgesehen haben könnte, einfach nichts! Witzig war allein der Kontrast dieser uralten Steinsäulen vor den Wohnblocks direkt dahinter, da der Marktplatz wirklich mitten in einem Wohngebiet ist.
 |
| Auf dem Fòrum Local Romà - gähnende Leere |
Die Innenstadt hatten wir nun also ausreichend erforscht, aber während der Urlaubsplanung hatte ich schon von zwei weiteren Sehenswürdigkeiten etwas außerhalb der Stadt gelesen, die mindestens genauso sehenswert sein sollten. Zum Glück sind wir mobil mit dem eigenen Auto und auch wenn wir die Ausfahrt erst beim zweiten Mal erwischt haben, war es eigentlich recht leicht zu finden, das Aquädukt:
 |
| Pont del diable - ein römisches Aquädukt, heute Viadukt für Spaziergänger :-) |
Etwas kleiner, als es in meiner Vorstellung war, aber trotzdem sehr cool! Natürlich sind wir einmal drübgelaufen, denn Wasser führt es nun nicht mehr.
 |
| Daniel auf dem ehemaligen Aquädukt |
Und um zum Schluss noch die Frage zu beantworten "Mensch, wie konnten die Römer denn solch große, beeindruckende Bauwerke errichten?", sind wir in den Steinbruch Pedrera del Mèdol gefahren. Auch der war eigentlich recht gut zu finden mit dem Auto. Hier haben die Römer also all die Steine abgebaut, aus denen dann Amphitheater, Circus, Stadtmauer und Aquädukt wurden. Er liegt rund 8 km vor der Stadt an der schon damals wichtigen Via Augusta. Leider war der eigentliche Steinbruch schon geschlossen, als wir dort ankamen. Davon, dass er überhaupt Öffnungszeiten hat, hatte ich gar nichts gelesen, aber das ist wohl auch erst sehr neu, denn überall standen neue Schilder und Texttafeln, die teilweise sogar noch in Plastikfolie eingepackt waren. Auch Tarragona ist Weltkulturerbe-Stadt und nach und nach werden jetzt die einzelnen historischen Bauwerke vermutlich moderner präsentiert werden. Um die Steinbruch-Grube führte also ein angelegter Weg mit niegelnagelneuen Begrenzungen, also sind wir einmal drumherumspaziert und haben bestaunt welche enormen Mengen Stein die Römer dort rausgeholt haben. Auf dem Foto ist nur eine kleine Ecke zu sehen (die gesamte Grube ist 200 m lang und 10 bis 40 m breit), aber wenn man sich vorstellt, dass die gesamte Fläche ja so hoch war, wie im Hintergrund, und sie dann angefangen haben, nach unten den Stein abzutragen, dann ist das schon ziemlich unglaublich. Mitten im Steinbruch steht eine Steinsäule, die die Römer verschmäht haben, vermutlich, weil das Gestein minderwertige Qualität hat. Sie ist 16 m hoch und bietet einen guten Eindruck davon, wie tief die Römer Stein abgetragen haben. Es wird geschätzt, dass sie dort rund 50000 Kubikmeter Stein gewonnen haben!
 |
| Am Rande des ehemaligen römischen Steinbruchs El Medol |
Das sind rund 740 dieser Standard-Schiffscontainer voll. (Wobei ich nicht weiß, ob man nicht das maximale Füllgewicht überschreitet, wenn man sie randvoll mit Steinen packen würde... also vielleicht sind's auch ein paar mehr Container.) Und wenn man die alle auf Güterzüge laden würde, dann wären das vielleicht so 15 bis 20 Güterzüge. (Jedenfalls in Deutschland, wo ein Güterzug maximal 700 m lang sein darf.)
Zwischen Köln, Koblenz und Mannheim fahren pro Stunde 12,5 Güterzüge (das ist alle 4,8 min einer), d.h. die Steine wären da in nicht mal zwei Stunden durch... Mmh, plötzlich erscheinen es gar nicht mehr so viele. Naja, aber wenn man sie alle in Handarbeit aus dem Fels schlagen müsste. Ohne elektrisch betriebene Steinsäge oder TNT... Naja, dann hätte man auch gar keine Güterzüge, um sie abzutransportieren... Und... und... und dann merkt man plötzlich, dass es eigentlich schon viel zu spät ist :-) Gute Nacht!